Mittwoch, 17. Oktober 2012

Vom Gammler zum Gärtner

5.10.2012

Wir sind immer noch Arbeitslos aber es ist ja ein Ende in Sicht. Wir freuen uns schon drauf! Das Leben als Arbeitsloser und nicht mals Harzt VI Empfänger ist 1.) teuer und 2.) auf Dauer Anstrengend und langweilig. Wir haben das Gefühl in eine Art Lethargie gerutscht zu sein: Ich stehe morgens auf und das Erste was ich tue ist nachschauen was Marius gerade so treibt. In ganz grob gesagt 100% der Fälle liegt dieser im Bett und beobachtet die Trailerdecke. Dann spielen wir eine Runde Schnick-schnack-schnuck darum, wer Kaffeewasser aufsetzt. Der Gewinner setzt sich auf seinen Stuhl und bekommt dann halt ‚n Kaffee zum Frühstück. Dieser Kram findet in der Regel zwischen zehn und elf Uhr statt, anschließend sitzen wir meistens auf unseren Stühlen und joa, was kann man schon so tun? Wir haben nicht mehr soviel Geld und um was zu erleben braucht man Geld. Oder Ideen!
Mittwoch morgen, ich hatte gerade das Kaffeewasserbattle gewonnen, da kam Marius auf die grandiose Schnapsidee ein Brot zu backen. Über die Zutaten waren wir uns ein bisschen unklar, fest steht: Zwiebeln, Speck und Parmesan. Den Rest ergoogeln wir uns im Internet.

Hefe. Mehl.

Sowas ist uns bis dato noch nie in die Tüte gekommen, aber es gibt ja bekanntlich immer ein erstes Mal. Also: Zutaten mit einer großen Menge Phantasie und Humor Rezeptgetreu nach eigenem Willen verrühren und hoffen, dass etwas entsteht, das mit noch viel mehr Phantasie einem Teig ähnelt und anschließend ziehen lassen. Ziehen lassen heißt übrigens in der Bäckersprache dass man den Kram in die Ecke stellt und hofft, dass nichts Unerwartetes passiert. Die Hefe hat ihr Bestes getan, wir hatten auf einmal doppelt soviel Teig wie vorher. Das war zwar unerwartet aber gar nicht mal so schlecht. Dem schlauen Leser wird wahrscheinlich jetzt schon aufgefallen sein, dass man zum Backen einen Ofen braucht, aber wir sind ja auch nicht ganz dumm. Wir haben ein silbernes Metallgerät, das kann man einfach ins Feuer schmeißen. Falls man etwas Backen möchte tut man das zu Backende einfach in dieses besagte Gerät und schmeißt es dann ins Feuer. Anschließend macht man sich Gedanken wir man dieses nun kochend heiße Teil wieder auf dem Feuer bekommt und genau dann sollte der Braten auch ungefähr Genießbar sein. In unserem Fall ist es halt kein Braten sondern ein Brot. Unglaublich, das Brot ist noch größter geworden. Wir haben uns aufgrund von Form des Silberteils dazu entschlossen, kleine Würstchen zu rollen anstatt einem großen Klumpen. Der Ofen hat in der Regel irgendwas zwischen 40-600° Celsius und das macht das Einschätzen der Backzeit etwas schwieriger. Aber es hat funktioniert, wir beißen beide einmal ab und sind mehr oder weniger satt. Vielleicht sollten wir in Zukunft ein bisschen sparsamer mit der Hefe umgehen, statt vier Personen können wir jetzt halb Kölle und eine hungrige Räuberbande mit unserem Vorrat ernähren. An sich schmeckt unser Brot aber gar nicht so schlecht, nur halt etwas Hefelastig. Wir üben halt noch.
Ansonsten ist diese Woche echt nichts passiert, Marius hat vier Mal hintereinander das Kaffeewasserbattle gewonnen und das an einem Tag, sonst war es echt ruhig.
Wir haben unsere Nachbarn kennengelernt, Craig und Frank, Craig ist Ende vierzig und reist in einem alten Schulbus durch Australien, Frank ist Exmechaniker, zugezogen aus der Schweiz und reist nun auch durch Australien. Sie kommen uns besuchen und Craig schenkt uns eine Gasflasche, da er einen neuen Herd hat und nicht mehr gebrauchen kann. Marius meckert zwar, dass er sich mehr über eine Pfanne oder so als Nachbarschafts-Willkommensgeschenk gefreut hat, aber diese Bemerkung hat selbstverständlich einen ironischen Unterton. Frank als Exmechaniker schenkt und noch ein paar Sicherungen fürs Auto und repariert uns einen Adapter der uns kaputt gegangen ist. Damit sind wir beide sehr zufrieden.
Am Abend kommt ein englisches Pärchen und klärt uns über deren Lebensgeschichte auf: Sie reisen seit mehr als zwei Jahren durch Australien und haben es durch ein paar schlaue Tricks geschafft ihr Visum zu verlängern. Echt witzig, wie wir die Zwei kennen gelernt haben, wir sind gerade auf Feuerholzjagt gewesen, da quatscht sie mich von der Seite an und erklärt, dass es seit Oktober in diesen Breiten verboten ist Lagerfeuer zu machen. Wenn sich das Feuer jedoch in Grenzen halte, sei es schon okay. Ich versichere ihr gerade, dass wir wirklich nur ein kleines Feuer machen wollte, just in diesem Moment läuft Marius mit einem ca. sechs Meter langen Baum im Hintergrund vorbei, winkt kurz rüber und ruft: „ Jo hab einen!“. Die Beiden nehmen es mit Humor und gesellen sich zu uns. Echt nett die beiden, sie sind ca. 40 Jahre alt und verwirklichen sich gerade ihren Lebenstraum. Nach dem Essen geht sie schlafen und er wirkt irgendwie erleichtert, bringt ein Fass Goon und jede Menge Bier mit. Er scheint echt fröhlich zu sein, endlich noch mal ein Bierchen über den Durst wie in der Jugend und keine Ehefrau die einem ständig auf die Finger haut und die Bierchen an ein einer oder zwei Händen abzählt. Über den Abend verteilt schenken die Beiden uns: eine Mundharmonika, einen großen Eimer und Waschmittel. Immer merkwürdiger, was die Nachbarn uns so schenken, Marius beschwert sich wieder und sagt, er hätte lieber noch eine Gasflasche statt dem Eimer bekommen, aber vielleicht will ja jemand tauschen. Gegen fünf Uhr geht unser guter Freund ins Bett und vergisst eigentlich so ziemlich alles was er mitgebracht hat. Außer seine Ukulele, die hat er mitgenommen. Schade.

7.10.2012

Mensch hatten wir ein langweiliges Wochenende. Jeder Bewegungsablauf geschieht in Zeitlupe und wir haben außerdem beschlossen, dass das Kaffeewasserbattle bereits nach einer Runde entschieden ist und nicht erst nach dreien. Den Tag über sortieren wir unsere Teebeutel nach dem Alphabet und trinken echt viel Kaffee. Morgen ist unser erster Arbeitstag, endlich mal raus aus diesem Gammelleben und noch ein mal irgendwas machen, wir sind beide echt schrecklich Antriebslos. Wir haben beide keine Lust auf gar Nichts und selbst wenn wir dann mal wieder gar Nichts gemacht haben, sind wir beide froh, wenn wir wieder in unseren Stühlen sitzen und dem Feuer zugucken können wie es seine vernichtende Kraft beweist.

8.10.2012

Pünktlich drei Minuten vor Arbeitsbeginn stehen wir mit hochgekrempelten Armen in der Gärtnerei und lassen uns einweisen. Unsere erste Aufgabe ist Blumenpötte durch die Gegend tragen. Marius schnappt sich zwei Töpfe und kehrt mit einer Hand voll Blätter zurück und beschwert sich, dass man ihn mal hätte einweisen können, dass man Blumen nicht schütteln darf. Fängt ja schon mal gut an. Den Rest des Tages verbringen wir damit, Kies in Schubkarren zu laden und möglichst gleichmäßig in der Gegend zu verstreuen. Geht zwar in den Rücken aber immerhin wissen wir jetzt wieder wofür Arme und Beine ursprünglich mal vorgesehen waren. Nicht nur zum Kaffeekochen.

10.10.2012

Tag drei in der Gärtnerei. Irgendwie sind die Leute nicht mehr ganz so freundlich wie ursprünglich. Generell kommt uns der ganze Laden irgendwie komisch vor: Der Familienbetrieb besteht abgesehen von einer Taiwanerin und Marius und mir nur aus einer Familie. Michael ist jetzt 50 und arbeitet seit er neun Jahre alt ist da, Darren ist 52 und arbeitet auch seit er neun Jahre ist in dem Betrieb. Küchenfrau Camilla ist nicht sehr freundlich und scheint die Ehefrau vom Chef, John zu sein. Alle Mitarbeiter scheinen irgendwie Angst vor John zu haben. Heute kam Darren zu mir und hat mich gefragt, ob ich ihm helfen kann die „f*#cking Flowers“ abzuladen, er habe Rückenprobleme und es sei zu schwer für ihn. Allerdings sollte ich aufpassen, dass John uns nicht zu zweit einen Blumentopf tragen sieht, da John sonst sehr sauer werden würde. Michael scheint überhaupt keine Lust zu haben seinen Job zu machen. Er hat Heuschnupfen und seit er neun ist täglich damit zu kämpfen, so berichtet er. Wer kommt denn bitte mit neun Jahren auf die Idee in Papas Blumenladen zu arbeiten wenn man Heuschnupfen hat? Auch Monica, die Taiwanerin( alle nennen sie Monica, da ihr richtiger Name angeblich viel zu schwer zu merken ist) erzählt, dass wir sehr viel Respekt vor John haben sollten, sie selbst habe schon sehr oft Stress mit ihm gehabt. John meckert, dass Marius zu langsam sei. Anstatt zu Marius zu gehen und ihm das selbst zu sagen, sagt er es mir damit ich ihm es übermitteln kann.
???
Marius hat zu den ganzen Tag an einer Maschine gearbeitet. Seine Bewegungsabläufe haben sich zu an diesem Tag lediglich darauf beschränkt, alle drei Minuten, wenn die Maschine einen Sack mit Rindenmulch vollgemacht hat, diesen auf die Seite zu stellen um anschließend einen neuen anzuschließen. Wenn die Maschine nun mal drei Minuten braucht, braucht auch Marius, Supermann oder sogar John persönlich drei Minuten für einen Sack Rindenmulch. C’est la vie, John.
Gegen sieben Abends kommen wir an unserem Zeltplatz an und lernen ein paar deutsche Backpacker kennen. Janne, Franzi und Mattes haben sich ebenfalls in Australien kennengelernt und reisen seit mehreren Monaten zusammen durch Australien. Das Trio kommt auch gerade von der Arbeit, sie haben auf einer Show gearbeitet. Diese Show lässt sich in etwa mit einer deutschen Kirmes vergleichen, erklären sie.

12.10.2012

Es ist Freitag! Unser erstes wirkliches Wochenende! Wir fahren gleich zum nächsten Bottleshop und hängen uns zwei Becks an den langen Arm. Das erste Mal, dass wir uns hier mal ein Bier aus dem Bottleshop gönnen. Natürlich ein Gutes, Deutsches. Echt lecker!
Den Abend verbringen wir mit unseren deutschen Kollegen, mit denen wir uns im Laufe der Woche angefreundet haben. Janne ist mit 30 Jahren der Älteste in der Runde, Mattes und Franzi sind bei 22 und sind seit sechs Monaten ein Pärchen. Janne ist vom geistigen Alter offenbar auf Marius und meinem Niveau und so haben wir viel Spaß miteinander.
Die anderen Beiden scheinen uns hingegen ein paar Dekaden im Voraus zu sein, sie gehen jeden Abend zwischen neun und zehn ins Bett, während Janne, Marius und ich noch am Feuer sitzen.
Sie geben uns noch ein paar sinnvolle Tipps für Australien und klären uns über die Notwendigkeit von Kopflampen auf. Kopflampen sind zwar echt schräge Hüte aber total klasse, mit diesen Helligkeitsdingern kann man sogar was sehen wenn es dunkel ist. Unglaublich, wir beide sind bis jetzt im dunkeln immer auf die Nase gefallen.

13.10.2012

Wunderbar! Wochenende, Zeit für Regen! Die ganze Woche über war das Wetter echt wunderbar, kurze Hose, T-Shirt, Sonnenbrille. Aber da waren wir ja auf der Arbeit, heute, am freien Samstag regnet es. Ein Glück ist unser Trailer, abgesehen von einer kleinen Ecke ziemlich Hochseetauglich. Diese eine Ecke ist übrigens auch die, aus der Marius am Morgen seinen Mp3 Player gefischt hat. Funktioniert natürlich noch. Den Rest des Tages verbringen wir zu fünft oder zu dritt im Trailer und schauen uns irgendwelche Filme an. Was soll man auch schon tun? Hier soll es total tolle und hohe Wasserfälle geben, aber wer fährt schon zu einem Wasserfall, wenn er einen beachtlichen Bach vor der Tür hat? Wir können quasi zwischen Auto und Trailer wählen. Wir decken uns mit Pizza Snax, Bier und Brötchen ein und entscheiden uns für den Trailer. Blöde Sonne, die kann uns mal gestohlen bleiben!

14.10.2012

Das tut sie auch. Schon wieder nur Regen. Blöde Sonne! Soll uns doch nicht gestohlen bleiben. Janne, Marius und ich decken uns mit noch mehr Pizza Snax und Brötchen ein, um unserer Beschäftigung vom Vortag nachzugehen während unser altes Ehepaar im Nachbarzelt Monopoly spielt.

16.10.12

Mittlerweile fängt uns der Job an Spaß zu machen. John meckert zwar manchmal rum, seine beiden Söhne haben uns jedoch schon erklärt, dass John niemals zufrieden mit irgendetwas ist.
Michael ist vielleicht ein schräger Vogel. Hat sich vor kurze ein neues Auto gekauft: einen knallgelben Transporter von Kia.
Echt schön.
Heute kam eine Arbeitskollegin angelaufen um ihn etwas zu fragen:

Kollegin: „Michael?“

Michael: „yeah?“

Kollegin: „ I just wanted to ask…“

Michael: “RRÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖAAAAAAAAAARRRR”

Genau in diesem Moment hat Michael offenbar nichts Besseres zu tun als seine komische Damenkettensäge anzuwerfen um einen nahe gelegenen Busch zu trimmen. Seine Kollegin scheint das gar nicht registriert zu haben und plappert einfach weiter. Michael gibt mir mit einer Hand ein Zeichen, dass er sie nicht mag und schließlich verschwindet sie wieder.

17.10.12

Heute war echt ein entspannender Arbeitstag. Michael hat Marius bei sich Zuhause abgeladen, damit er dort ein bisschen rumgärtnern kann und ich hab in der Gärtnerei rumgegärtnert. Metallica, Guns ‚n Roses und Johnny Cash sorgen für eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Da ich den ganzen Tag alleine arbeite kann ich mein Arbeitstempo selbst bestimmen und bin offenbar dank der motivierenden Musik schon gegen Mittag mit meiner Arbeit fertig, obwohl diese für den ganzen Tag bestimmt war. Na toll, anstatt mit eine bequeme Liege zu geben sägt Michael mit seinem Blumenmopped noch ein paar Flowers zurecht und ich kann weitermachen. So war das eigentlich nicht gedacht, aber immerhin hat er nun einen guten Eindruck. Mein ehemaliger Chef wollte schließlich auch immer, dass ich einen guten Eindruck mache.
Da Marius mit dem Auto zu Michaels Haus gefahren ist bringt Michael mich nach Feierabend zu ihm nach Hause. Jetzt verstehen wir beide auch endlich mal, warum Michael für seinen Papa arbeitet: Sein Haus ist echt riesig, im Garten sorgen Swimmingpool mit Rutsche und ein Tennisplatz für ein ansehnliches Grundstück. Michael lädt uns auf ein Bier ein und ist verblüfft, nachdem Marius und ich das Bier mit einem Feuerzeug aufgemacht haben, er behauptet, er habe das noch nie gesehen.


1 Kommentar:

  1. Hi Steffen und Marius, der Blog ist klasse, es macht Spaß das zu lesen, lustig und auch schon mal informativ. Macht so weiter.
    LG
    Pa

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