Donnerstag, 14. März 2013

Ein betrunkener Belgier, "Jojoa" und das Ende von Stahl-Kahl und Linda

27.2.2013

Gestern haben wir einen Tag frei gehabt, da es in Strömen geregnet hat. Heute regnet es auch noch, Marius darf heute jedoch anstreichen und ich soll das zuvor gesägte Holz stapeln. Linda hat uns außerdem erklärt, dass man heute kein Holz sägen dürfe. Heute ist Vollmond, Holz, das man an Vollmond säge, brenne nicht, erklärt sie mir mit vernichtender Ernsthaftigkeit. Keine Ahnung woher sie diese Information hat, sie scheint es offenbar tatsächlich zu glauben. Wenn sie diesen Trick mal den Leuten aus der Holzsägefabrik verrät, freuen die sich bestimmt ‚n Stein ins Brett: einen Feiertag pro Monat mehr und endlich ist geklärt, warum das Holz einmal im Monat nicht brennt. Damit kommt sie bestimmt noch ganz groß raus. Sie hat uns auch schon erklärt, dass Tomaten auch Gefühle haben. Genau wie Bäume oder Wasser. Wenn man einen Schluck Wasser bspw. mit „schöner“ Musik bespielt und ihn einfriert, nehme er eine schöne Form an, wenn man ihn jedoch mit „unschöner“ Musik bespielt, nehme er beim Frieren eine nicht so schöne Form an. Die Definition von „schön“ und „unschön“ setzt sie mit ihrer eigenen gleich. Verleugnet sie damit nicht die Individualität des Musikeschmacks von Wassertropfen? Dieses Thema ist sogar Marius und mir zu absurd, fest steht, dass Linda sicherlich keinen schönen Gesichtsausdruck macht, wenn an sie einfriert. Unabhängig von der Musik.

28.2.2013

Heute ist Donnerstag und der letzte Tag des Monats. Das ist eigentlich nichts Besonderes, für Marius und mich jedoch schon, da wir heute auf ein Konzert gehen. Außerdem müssen wir wegen dem Konzert nur fünf Stunden arbeiten. Wir haben uns vor kurzem für Sum41 und Billy Talent Konzerttickets in Melbourne gekauft, heute ist es soweit. Gegen drei Uhr kocht Linda uns noch ein leckeres Essen zur Stärkung und ab geht’s nach Melbourne. „Stahl-Kahl“, wie wir Karl ab jetzt insgeheim nennen (danke Krisha) erklärt, dass er von der amerikanischen Musik nicht viel halte. Wir sind vorsichtshalber vier Stunden vorher losgefahren und schaffen es so auch pünktlich anzukommen. Das Konzert ist im „Palace Theatre“, dort werden normalerweise Theaterstücke aufgeführt. Das Konzert ist echt geil. Sum41 wirken etwas verschlafen, dafür rocken Billy Talent jedoch umso mehr.

1.3.2013

Etwas verschlafen und müde kommen wir zur Arbeit und Linda steht schon erwartungsvoll in der Tür und ruft „Mensch, ihr seht aber verrockt aus!“. Leider sind wir beide wegen dem nervigen Piepton, den wir seit gestern auf den Ohren haben nicht in Stimmung über so was zu lachen. Beim Frühstückstisch eröffnet sie uns, dass „verrockt“ eine Kombination der Worte „verrückt“ und „rocken“ ist, das Wortspiel ergibt zwar jetzt einen Sinn, ändert jedoch nicht unsere Lust aufs Lachen. Den Rest des Tages stapeln wir wieder Holzklötze und haben Spaß mit dem Trecker. Gestern haben wir uns sehr angestrengt schnell zu arbeiten, damit wir u.A. schneller zum Konzert können und da meinte Linda, dass wir ziemlich langsam gearbeitet hätten und sie uns deswegen eine Stunde von unserer Arbeitszeit abzieht. Heute, mit Brummschädel, geschieht alles tatsächlich nur in Zeitlupe und Linda plaudert uns am Ende des Tages zu, dass sie sehr zufrieden mit unserer Arbeit sei.

2.3.2013

Heute dürfen wir endlich wieder sägen, Linda ist sich todsicher, dass der Vollmond vorbei ist und dass das Holz jetzt endlich wieder gut brennt. Wolle, der andere Angestellte, und ich sollen ein paar Bäume fällen und noch mehr Feuerholz sägen. Marius und mir ist schon öfters aufgefallen, dass er öfters eine Alkoholfahne hat. Heute morgen haben wir beobachtet, wie Wolle zu seinem Auto gegangen ist, sich hingekniet hat und mit einem deutlichen „GULK!“ irgendwas geleert hat. Seitdem hat er stets gelallt und noch mehr nach Alkohol gestunken. Wir haben in seinem Kofferraum geschaut und ein fünf Liter Paket Goon, also Rotwein, gefunden. Knallt der Typ sich ernsthaft ‚n Billigwein während der Arbeit rein? Auf jeden Fall soll ich mit ihm zusammen Bäume fällen. Wolle schnappt sich mit seinen läppischen 65 Jahren die Kettensäge und wackelt los zum Bäume fällen. Er erklärt mir, dass er, dank seiner ewigen Erfahrung, super Bäume fällen könne. Na dann mal los, wir sind beide motiviert und gespannt was passiert. Baum eins fällt mitten auf die Straße und Baum zwei auf den Zaun vom Nachbarn. Ob er das noch toppen kann? Klar! Baum drei fällt ebenfalls auf den Zaun und Baum vier ist zum Glück recht klein, denn er landet auf seiner Schulter. Weiter geht’s mit Baum fünf, welcher eine beachtliche Größe hat, hierfür möchte Wolle die Seilbinde von seinem Auto benutzen: Ich binde seine Seilbinde am Baum fest und er zieht mit seinem Auto, während ich säge. Ich vergleiche kurz die Höhe des Baumes mit dem Abstand von Wolles Auto zum Baum und weise ihn darauf hin, dass er besser weiter hinten parken und ziehen sollte, da der Baum in Wolles Richtung fallen wird und der Baum ist höher als der Abstand zwischen Baum und Auto. Wolle behauptet jedoch, dass passe locker.



Hier hat dieser Kerl echt Glück gehabt: Der Baum kracht ca. 40cm neben Wolles Auto auf den Boden. Was soll an dazu sagen? Wolle made my day.

3.3.2013

Heute haben wir frei und gehen einkaufen. Im Woolworth ist uns etwas Merkwürdiges aufgefallen, wir nennen es das „Porree- Rätsel“. Wir beide haben mal wieder keine Ahnung was wir kochen sollen und deswegen suchen wir unsere Inspiration in den Einkaufwägen der anderen Leute. Fast jede Frau, die optisch wie eine Hausfrau, aussieht kauft Porree ein. Marius bestätigt mir, dass auch seine Mutter vom Einkaufen stets mit einer Stange Porree vom Einkaufen zurück käme. Nun das Rätsel: Wofür braucht man das?
Uns fällt beiden nur eine Suppe ein, in der Porree drin ist, warum kaufen alle Frauen immer Porree? Gibt es irgendwo ein riesiges Porree-Lager, wo alle Frauen den Porree hinbringen oder kriegen wir beide einfach nie mit, dass Porree im Essen war?
Desweiteren wird es langsam Zeit, dass ich unsere Campingnachbarn vorstelle, mit denen wir in letzter Zeit sehr viel machen:

-Michelle, Gladice und Andy kommen aus Belgien und sind echt cool drauf. Die erleben hier offenbar ein zweites „Woodstock“: Wir haben sie schon öfters Nachts nackt baden gehen sehen und letztens haben sie eine Schlammschlacht gemacht (wo auch immer die den Schlamm her hatten). Gestern früh kam Andy um acht Uhr mit einer Tasse Rotwein zu mir und hat mir einen Schluck angeboten. Ich habe ihm erklärt, dass es gerade mal acht geschlagen hat, er guckt auf die Uhr, wirkt leicht irritiert, sagt:“ yeah, it’s eight o’clock“, fragt mich noch mal ob ich etwas Wein möchte und trottet nach meiner erneuten Verneinung von dannen.

-Romain kommt aus einem Vorort von Paris und reist allein. Er ist 23 und wir verstehen uns sehr gut mit ihm.

-Eric kommt aus Quebec, Kanada, dem französischen Teil. Er versteht sich super mit den Franzosen und hat es geschafft drei Wochen mit nur zwei Dollar auszukommen. Ein echter Sparfuchs.

Tiffan, Marion und Elise sind drei Französinnen, die ihr Auto knallbunt angemalt haben. Sie zelten seit längerer Zeit neben uns und wir verstehen uns ebenfalls sehr gut.

5.3.2013

Heute hat Linda zum Frühstück gebratene Tomaten zubereitet. Sie erklärt, dass die gebratenen Tomaten die DNA beschützen und so die Chromosomen faszinierender Weise ebenfalls komplett geschützt seien.
STOP! Wenn ich mich recht an den Biologieunterricht erinnere, ist damit das Problem der Unsterblichkeit gelöst. Sind wir jetzt unsterblich? Warum verrät sie den Trick mit den geschmorten Tomaten nicht den Leuten aus der Biologieforschung? Die forschen Jahre lang wie man unsterblich werden kann und Linda kocht ein paar Tomaten und löst so locker flockig am Frühstückstisch das Problem der Unsterblichkeit. Marius fühlt sich seit dem unbesiegbar und hat noch mehr Spaß mit der Kettensäge.
Wie soll man das bitte ernst nehmen?
Den Rest des Tages werden wir wieder in den Wald geschickt um ein paar Bäume zu ernten.

6.3.2013

Uns ist schon vor längerem aufgefallen, dass Linda eher „die Hosen anhat“ als Karl. Karl ist nämlich alles total egal. Karl hat uns am dritten Arbeitstag gesagt, dass er noch ca. drei Tage Arbeit für uns habe. Linda wusste jedoch noch alles Mögliche zu tun. Karl antwortet, egal was man sagt, immer mit „jojoa“. Heute haben wir die beiden diskutieren gehört und das ging in etwa so:

Karl: “Linda, wir brauche die Jungs doch gar nicht mehr, das könne doch alles de’ Kinder von de’ Helena mache!“

Linda: „Nein Karl! Die Bäume sind doch viel zu schwer! Wer soll die denn alle tragen?

Karl: „ Na de’ Daniel is ‚n faule Lump! Wenn der drei Hände hätt’, bräucht’ er auch drei Tasche!“

Linda: „was?“

Karl: „Na de’ Daniel is ‚n faule Lump! Wenn der drei Hände hätt’, bräucht’ er auch drei Tasche!“

Linda: „Der Daniel hat noch gar kein Auto!“

Karl:“ Jojoa!“



Offenbar sind wir beide dank Karls chronischer Unlust auf eine Diskussion mit Linda immer noch eingestellt. Linda hat öfters Probleme zu verstehen was andere ihr sagen, ihrem Hörgerät hat sie bereits abgeschworen.

8.3.2013

Freitag! Heute ist ein schöner Tag! 1. ist heute Zahltag und 2. arbeiten wir heute nicht so lange. Karl schaut sich kurz unsere Stundenzettel an, murmelt ein Mal „Jojoa“ und schaut, ob er zufällig noch genügend Geld da hat. Bei der Verabschiedung erklärt er uns noch, dass die heutige Jugend nicht mehr das sei, was sie ein Mal war. Wir bedanken uns noch für das Kompliment und fahren zu den Belgiern, Franzosen und Kanadiern, da wir heute vorhaben, mit denen in eine Kneipe mit Lifemusik zu gehen. Wir schaffen es beide einen der freien Sitzplätze im Auto zu ergattern und freuen uns auf einen coolen Barabend. Die Band ist besser als erwartet, obwohl das Publikum eigentlich nur aus Leuten von unserem Campingplatz besteht. Nach ca. 30 Minuten treffen wir auf Eric, der sich total Blau mit einer Flasche Tequilla in Hand entschuldigt, dass er nicht mehr fahren kann. Hmm, dabei müssen Marius und ich doch morgen zur Arbeit! Schlussendlich finden wir Platz bei Tiffan, Marion und Elise.

10.3.2013

Heute haben wir einen Tag frei und fahren wir nach Melbourne, wir wollen zum Hard Rock Café. Auf der Hinfahrt haben wir ein bisschen in meinem Blog rumgestöbert und festgestellt, dass uns schon echt viele komische Sachen passiert sind. Wir waren drei Mal bei einem Reifenhändler und hatten drei Mal danach einen platten Reifen. Wir hatten einen vielleicht kriminellen Anhalter an Bord. Wir hatten bis jetzt nur komische Chefs oder arbeiten mit einem „Alki“ zusammen. Genau in diesem Moment, wo wir sowieso schon alles so komisch finden, sehen wir rechts neben uns an der Ampel einen feschen Hip Hopper wie er im Buche steht, viel zu großes T-Shirt, Baggy-Hose unter den Knieen und sowieso total cool drauf. In seiner Hand: ein Bündel grüner Spargel, in das er mehrere Male genüsslich reinbeißt.
Na toll, jetzt finden wir garantiert Nichts mehr Normal.
Der Besuch im Hard Rock Cafe fällt leider aus, da das Café vor kurzem geschlossen hat.

12.3.2013

Heute ist unser letzter Arbeitstag und wir dürfen wie immer Holz hohlen. Linda begutachtet unsere erste Lieferung und bekommt fast einen Herzkasper: die gesägten Stücke sind viel zu klein. Mindestens einen halben Meter sollen die Stücke sein. Alles klar, ab jetzt sägen wir keine Pizza-Brettchen mehr, aber wer soll die Stücke hochheben? Mittlerweile haben die Stücke einen Durchmesser von bis zu 80Cm, wenn wir die einen halben Meter lang sägen, bekommen die zwei die doch nie wieder einen Zentimeter bewegt. Marius und ich holen eine weitere Ladung von den Zentnerstücken und beschließen Feierabend zu machen. Wenn Wolle die ganzen Stücke spalten muss, hat er ordentlich was zu tun. Der Arme.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Zeit bei Linda und Karl echt cool war. Linda hat immer super für uns gekocht und Karl war zwar offenbar alles egal, er hat ja immer nur „jojoa“ gesagt, war aber trotzdem ebenfalls sehr freundlich. Die Bezahlung war auch mehr als fair.
Letzte Woche haben wir Tiffan, Marion und Elise mit dem Auto abgeschleppt, da sie irgendein Problem mit dem Auto hatten. Jetzt klingelt schon wieder unser Handy, ein weiterer Kerl vom Campingplatz kann hat ein Problem mit dem Auto. Sven ist von Deutschland aus bis Hong Kong mit dem Fahrrad gefahren und von da aus nach Australien geflogen. Mit seinem Fahrrad habe er noch nie so ein Problem gehabt, erklärt er mir. Wir ziehen ihn zur nächsten Werkstatt und fahren im Anschluss zum Campingplatz, da morgen fast alle von den eben vorgestellten Freunden weiterreisen und wir eine Abschlussparty machen.

13.3.2013

Heute hat Marius einen Termin beim Zahlarzt. Wusstet ihr, dass Zähne, wenn man sie in Cola einlegt, sich auflösen? Genau das war bei Marius offenbar der Fall. Die Ärztin bohrt ein bisschen in Marius Mund rum, kleistert noch was zu und er ist geheilt. Den Rest des Tages packen wir unsere Sachen zusammen und fahren endlich hier weg. Wir sind seid Weihnachten auf dem gleichen Platz und heute reisen wir endlich weiter! Jedoch nicht viel, wir sind beide total unmotiviert beim Aufräumen. Wir wundern uns wo wir schon wieder soviel Kram her haben, ist das alles von uns? Wir verschenken noch ein paar Schuhe die keinem passen, eine Leiter, zwei Stühle und ein halbes Kartenspiel und reisen dann endlich los!

15.3.2013

Noch zwei Monate, dann geht’s schon wieder nach Hause. Heute sind wir in Eden angekommen, wir haben den Staat „Victoria“ endlich verlassen.



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