Montag, 25. Februar 2013

Das Ende vom Ben, ein Baumhaus Bob und echt komische Großeltern

15.2.2013

Wir haben Freitag und schon wieder gibt es nichts Neues vom Ben. Ben hat uns nur eine Sms geschrieben, dass er nächste Woche mehr Arbeit für uns habe. Laut den Weingütern, bei denen wir nach Arbeit gefragt haben, beginnt die Ernte der Trauben ab nächster Woche, dementsprechend könnte sich das mit der Arbeit sogar ausnahmsweise mal bewahrheiten. Wenn wir allerdings am Sonntag keine Nachricht von Ben bekommen, dass er uns alle vier gebrauchen kann, verlassen wir die Weingegend hier endlich und fangen wieder an zu reisen. Zur Zeit ist in dieser Gegend der Wein, Äpfel und Zitronen erntereif. Zitronen gibt es jedoch nicht viel in dieser Gegend, Äpfel werden meist schlecht bezahlt und alles was mit Wein zu tun hat läuft über Ben.

17.2.2013

So, heute ist Sonntag und Tuna und ich rufen Ben an. Tuna telefoniert ein paar Minuten mit Ben und das Ergebnis ist schon wieder typisch australisch für Marius und mich. Ben erklärt, dass er Marius und mich nicht mehr haben will, da wir beide öfters nicht zu Arbeit erschienen wären und faul seien.

???

Hää? Also, hö?

Stopp! Jetzt mal langsam mit den Pferden, Ben hat keine Arbeit für uns und wir werden gefeuert weil wir nicht hingehen? Tuna und Simon wird gesagt, dass dies ihre letzte Chance sei, wenn sie noch mal zu spät kämen, wären sie auch gefeuert. Ist der Kerl irgendwie verwirrt? Der hämmert sich offenbar jeden Abend ein paar Flaschen Wein in den Kopp und versucht anschließend irgendwelche Backpacker irgendwo hin zu bestellen. Ich rufe ihn sofort an um seine eindeutige Verwechslung richtig zu stellen, dass wir gar keinen Job hatten und so die Behauptung „wir wären zu spät gekommen“ eindeutig nicht zutreffen kann. Er lehnt meine Anrufe stets ab. Na toll, hier gibt’s für Backpacker genau eine Branche in der man gut Geld verdienen kann und in dieser Branche werden Marius und ich zu 100% keinen Job finden.
Aber was ist das denn hier? Was ist das bitte für eine Arbeitssituation?

Unser erster Chef in Perth kündigt ständig seine Angestellten um sie am Folgetag wiedereinzustellen, lädt uns an dem Tag an dem sein Vater gestorben ist auf ein Bier ein und verschätzt sich bei seinen Bestellungen im fünfstelligen Bereich.

Unsere zweite Chefin, wir nennen sie „Mettchen“, ist kugelrund und zahlt ihren Angestellten nur einen Hungerlohn und wundert sich anschließend über ein schlechtes Arbeitsergebnis.

Beim dritten Versuch treffen wir auf Ben und, nun ja, offenbar schafft dieser es nicht mal ansatzweise sich einen Überblick über seine Angestellten zu verschaffen und die Tatsache, dass dieser Kerl sehr offenbar sehr viel um die Ohren hat relativiert in meinen Augen nicht mal ansatzweise den Punkt, dass er wegen einer Verwechslung schon fast willkürlich seine Angestellten durcheinander bringt und kündigt. Dass er angeblich keine Franzosen einstellt mag zwar ein Gerücht sein, wir haben und jedoch schon gewundert, dass seine erste Frage als wir eingestellt wurden auf unsere Nation bezogen war, Franzosen haben wir auch noch keine auf der Arbeit getroffen, obwohl wir schon sehr viele Leute auf der Arbeit kennengelernt haben und Franzosen gibt es hier in Australien noch mehr als Deutsche.

Was ist das bitte für Arbeitseinstellung?

Nachdem Marius und mir keine negativen Adjektive oder Schimpfwörter eingefallen sind haben wir uns noch ein paar Wörter ausgedacht, danach haben wir beschlossen, uns um einen anderen Job zu bemühen, wenn wir keinen Job finden, besuchen wir Ben in seinem Büro und erklären ihm was wir von ihm halten. Das „Phantom“ hat bis jetzt noch keine gesehen, wir haben immer nur übers Handy mit ihm Kontakt gehabt.

16.2.2013

Immerhin dürfen wir heute ausschlafen. Wir brechen gegen zehn Uhr auf und beschließen einfach alles zu geben. Wenn man einen Job will, findet man auch einen. Der erste Arbeitgeber lebt in einem riesigen Baumhaus und heißt „Boinga Bob“. Er erklärt verschlafen, dass er uns super gebrauchen könnte, jedoch völlig pleite sei. Anschließend fragen wir zwei Rentner am Straßenrand nach dem Weg zu einer Farm, da wir dort arbeiten wollen und, nachdem die beiden sich kurz beratschlagt haben höre ich in eindeutigem Deutsch die Worte „Mensch Linda, eigentlich könnte’ die Jungs doch hier super anpacke’ mit de’ Büsche und Bäume“. Wir outen uns schlagartig als Deutsche und kommen sofort ins Gespräch. Karl ist 69, lebt seit 30 Jahren in Australien und hat Maschinenbau studiert, Linda ist bereits 75 und hat eine unglaublich ausführliche Vergangenheit. Wir können morgen anfangen. Job? Check!

17.2.2013

Pünktlich um acht Uhr erreichen wir die traumhaft schöne Villa, die auf einem Berg gebaut ist und mit 42 Hektar Land auf jeden Fall auf eine Menge Geld schließen lässt. Linda und Karl sind noch gar nicht richtig wach, verschlafen bitten sie uns, den Tisch zu decken, es gebe erst noch einen Kaffee. Wolfgang ist 65 und arbeitet auch für Linda und Karl, auch er ist Deutscher. Karl erzählt mir beim Frühstück, dass die USA bereits 10.000 Dronen los geschickt hätten und so die Welt überwache. Jedes Telefongespräch und jede Sms werde abgehört, überprüft und nochmals geprüft.
Hmm, die Theorie ist zwar wage, aber interessant. Anschließend beschwert sich Karl über die Engstirnigkeit der Australier und hält mir einen Vortrag über die Verdummung des Volkes. Zuerst zeigt uns Karl seine riesige Maschinensammlung, Marius stellt fest, dass fast alle Maschinen deutscher Herkunft sind.
Als erstes kramt Karl zwei „Stihl“ Kettensägen aus seiner Werkbank und schickt uns Holz holen. Nachdem wir alles in mundgerechte Stücke zersägt hatten hat Karl uns erklärt, dass er das Holz noch kleiner haben möchte. Dafür hat er bereits in einer anderen Ecke seiner Garage eine riesige Spaltmaschine parat gemacht, mit der wir das Holz spalten sollen.

Gegen Abend lädt Linda uns noch zum Essen ein, sie hat für uns alle gekocht. Es schmeckt sehr lecker, Karl bedauert jedoch, dass ihm das Essen nicht schmecke weil es schlecht gewürzt sei, Linda verweist auf ihre Pfefferallergie.

18.2.2013

Heute sagt Linda, sie könne uns im Garten gebrauchen. Marius und ich zeigen ihr unsere zwei linken Hände, sie wirkt zwar leicht irritiert, drückt uns jedoch trotzdem eine Schaufel in die Hand und erklärt, wir sollten den Garten von Unkraut befreien. Marius und ich gucken uns fragend an und beschließen, einfach alles was nicht schön ist rauszurupfen und zu hoffen, dass Linda nicht mehr allzu viel sieht. Leider sind ihre Augen okay und sie beschließt uns andere Arbeiten zu geben. Marius stapelt weiter Holz in die Höhe und mir drückt sie einen Rasenmäher in die Hand heißt mich den Rasen zu mähen. Super, mit Rasen mähen hab ich Erfahrung, schließlich mähe ich seit vier Jahren in der Nachbarschaft den Rasen. Seit der „Blumenernte“ scheint sie mir jedoch nicht mehr so zu vertrauen was den Garten betrifft. Nachdem ich Linda erklärt habe wie man den Rasenmäher anmacht, erklärt sie mir wie an ihn benutzt. Na toll, gestern durfte ich noch nach Lust und Laune mit ’ner Kettensäge rumlaufen und heute werde ich beim Rasen mähen eingewiesen. Na ja, immerhin werden wir nach Stundenlohn bezahlt, wenn sie mir Ewigkeiten erklären muss wie man einen Rasenmäher schiebt, kann sie uns auch gerne Geld dafür geben.
Linda kocht wieder und Karl fängt wieder an zu erzählen wie das mit de dritten Reich wirklich abgelaufen ist: Die Juden wurden gar nicht getötet, die Berichte und Filme die es gibt sind laut Karl „völlig Schwachsinnig“, es habe zu dieser Zeit gerade mal 2,8 Millionen Juden in Europa gegeben, dementsprechend kann Hitler auch keine sechs Millionen getötet haben. Alle Fotos die es gibt seien „gestellt“ bzw. Fotos von deutschen Soldaten oder einfach Bürgern aus Dresden.

STOP!

Ein paar Tage vorher habe ich mich beschwert, dass Marius und ich nie einen „normalen“ Chef in Australien haben. Was soll das denn ‚nu? ‚N deutscher Nazi? Das kann doch schon wieder nicht wahr sein.. Na ja, er bezahlt uns gut und ich wollte mich sowieso gerne mal mit jemanden unterhalten, der solche Ansichten vertritt.

Wolfgang, der andere Angestellte, ist auch ein cooler Typ. Offenbar hat er sich seit längeren nicht mehr mit Deutschen unterhalten, die nicht so komische Ansichten haben wie Karl und Linda, denn er hat uns bereits heute zum zweiten Mal seine komplette Lebensgeschichte erzählt. Er ist seit 40 Jahren hier, hat sich ein riesiges Haus gebaut und durch eine patentierte Erfindung viel Geld verdient. Seine Erfindung wurde geklaut und nachgebaut, den Prozess vor Gericht hat er verloren und musste so die Kosten von 500.000$ tragen. Seine Frau hat ihn vor kurzem verlassen. Wenn man sich seinen Lebenslauf so anschaut, befindet er sich jetzt offenbar auf der „Talsohle“, weiter bergab kann es nicht gehen. „Wolle“, wie Marius und ich ihn immer nennen, tut uns irgendwie leid, der hatte ja echt viel Pech. Wir beschließen ihn heute Abend mal zu besuchen. Wolles Hütte ist ebenfalls riesig, noch viel schöner als das Haus von Linda und Karl. Wolle erklärt jedoch, dass er verkaufen müsse, da er seine Frau nicht auszahlen könne. Echt unglaublich, er hat sich das Haus komplett selber hochgezimmert, nur für das Mauern hat er sich professionelle Hilfe kommen lassen. Er war quasi für alles andere sein eigener Bauherr.
Wir laden ihn auf ein Bier ein und er freut sich riesig, beim Abschied betont er, dass er sich stets über Besuch freue.

20.2.2013

Gestern haben wir angefangen einen riesigen Zaun vom Gestrüpp zu befreien. Dafür haben wir ein Harke, eine Kettensäge, zwei Motorsensen und eine Kollektion von aktuellen Gartenscheren in modischen gelb mit Teleskoparm bekommen. Die Ausrüstung ist echt der Hammer, wieso kauft er sich zwei Motorsensen die hier über 1000$ kosten? Ganz einfach, eine hat eine Metalscheibe vorne dran und die andere ein rotierendes Plastikkabel, wäre ja total ätzend, wenn er, falls er so ein Teil mal braucht, den Aufsatz wechseln muss.
Beim Essen erklärt Karl uns, dass die Deutschen im zweiten Weltkrieg eigentlich gar nicht die „Bösen“ waren. Wusstet ihr, dass England mehr Bomben auf Berlin geworfen hat, als Deutschland insgesamt auf ganz England? Hinzu kommen dann noch Angriffe auf Dresden oder Köln. Hier wäscht man dein Hirn!
Außerdem sind die Australier total blöd: als ehemalige britische Kolonie fühlen sie sich immer noch als Gewinner des Krieges und sind so von Stolz erfüllt. Daher kommt auch die „Hochnäsigkeit“. Hmm, ist und alles irgendwie neu, aber, wie bereits geschrieben, interessant.

22.2.2013

Was für eine Hitze! Das Thermometer beschwert sich über 39°C im Schatten und wir beide über Arbeit in der Sonne. Zum Glück hat Linda uns zwei fesche Gärtnerhüte mitgegeben und zehn Liter Wasser, die nach sechs Stunden leer sind. Linda bietet uns nach der Arbeit eine warme Dusche an, während Karl sich über das „Negerwetter“ beschwert. Echt herb, dieser Kerl.

23.2.2013

Heute arbeiten wir auch an einem Samstag. Wie wir dazu kommen fragen wir uns auf dem Weg zur Arbeit auch, wir bekommen jedoch ein nettes Gehalt und da wir beide seit ewig nicht mehr gekocht haben, da uns Linda diese Aufgabe immer abgenommen hat, beschließen wir zu arbeiten und was Leckeres abzustauben. Sie hat außerdem schon erklärt, dass sie für uns „Landsleute“ gerne mitkocht. Na, da haben wir beide doch mal Glück gehabt. Die Hitze heute ist vergleichbar mit der gestrigen und zum Start ins Wochenende geben sie uns jeweils ein „Oettinger“ Bier und wir vergnügen uns noch was in Pool.
Abends fahren wir mit Tuna und Simon zu ein paar anderes deutschen Backpackern, die die Beiden auf der Arbeit kennengelernt haben.

24.2.2013

Sonntag, endlich noch mal Wochenende. Die Wochen in denen wir nicht gearbeitet haben, hatten nie so ein richtiges Wochenende, wenn man sowieso frei hat, interessiert man sich nicht dafür, welchen Tag man hat. Wir nehmen uns viel vor wie aufräumen oder die Wäsche machen, im Endeffekt ist es jedoch darauf hinausgelaufen, dass wir einkaufen gegangen sind. Immerhin hatten wir ein leckeres Abendessen.

25.2.2013

Heute schaffen wir es auf der Arbeit den Auftrag mit der Hecke abzuschließen. Beim Abendbrot beginnt auf einmal die totale Hirnwäsche: Karl und Linda klären uns über alles auf, was über den Weltkrieg nicht stimmt. Wolfgang hat uns erklärt, dass er in keinem Punkt mit den beiden konform geht, jedoch dazu rät, in einer Diskussion einfach versuchen das Thema zu wechseln. Karl und Linda stellen das dritte Reich als total toll da, im Sinne von „damals war alles besser“ und „die armen Deutschen waren die Opfer, nicht die Angreifer“. Obamas „Negerpolitik“ sei das Letzte, das Leute wie Hillary Clinton oder Rockefeller jüdischer Abstammung sind, müsse auch nicht sein. Karl fände es besser, wenn das jemand anders mache.

Marius und ich distanzieren und vollständig von dem Sch**ß den die beiden dazu erzählen. Die zwei sind echt keine dummen Menschen, obwohl insbesondere Karl mir auf die Nerven geht. Er selber hat einen Realschulabschluss gemacht und anschließend Fachabi. Er fragt mich ständig, ob ich mich mit meinem „Vollabi“ als was Besseres fühle. Immer wenn ich irgendeine blöde Frage nicht beantworten sagt er so was wie:“ Mensch, das musse doch wisse’, du bis doch der schlaue mit Abitur“.

Eine Sache will ich noch klarstellen: Wenn wir beide hier nicht super Essen bekämen, einen Pool und jede Menge Geld, hätten wir schon längst dem Karl erklärt, was wir von seinem Müll halten.

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